Systemrelevant. Das wird wohl das Unwort des Jahres. Jedenfalls aus Sicht von Familien, die eben nicht in einem dieser systemrelevanten Berufe arbeiten. Aber wer alles dazu gehört ist ja auch wirklich leicht verwirrend. Und sobald man da Zweifel hat, ist man ja quasi bereits raus aus der Prüfung. Immerhin, ein Bruchteil aller Familien wird entlastet. Aber was passiert mit dem Rest? Irgendwie kennen wir sie alle, und viele von uns gehören ja auch selbst dazu. Die Familien, die trotz andauernder nicht geklärter Betreuungssituation arbeiten müssen. Die, die langsam am Limit angekommen sind, weil sie entweder früh morgens für 1-2h arbeiten bevor die Kinder die Bude stürmen, oder Mittags wenn sich ein nicht ausgelastetes Kind mal erbarmt 1-2h Mittagsschlaf zu halten, oder aber Abends, wenn man selber am Kräftelimit angekommen ist aber dann halt wieder Ruhe einkehrt und man wenigstens ein paar Mails beantworten kann. Was ist mit den Familien, in denen die Eltern in der Gastronomie arbeiten, die ja jetzt wieder aufmachen dürfen, und die Arbeitskraft dann vor Ort gebraucht wird? Da freuen sich die Kinder doch bestimmt endlich wieder im Biergarten abzuhängen.
Irgendwie bin ich in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite bin ich leicht neidisch auf jeden Betreuungsplatz, der einer dieser systemrelevanten Familie zugestanden wird. Ich würde auch gerne meine Kinder wieder wenigstens für 4h/Tag, aber dafür täglich in die Kita geben. Einfach, weil uns dieser Abstand einfach gut tun würde. Sowohl mir als auch den Kids. Abgesehen davon vermissen Sie ihre Freunde und auch die Erzieherinnen – haben letzte Woche eine zuckersüße Nachricht von den Erzieherinnen per Video bekommen, so eine Freunde in den kleinen Gesichtern. Dennoch möchte ich das System nicht irgendwie bescheissen und meinen Beruf wichtiger machen, als er ist, um einen dieser begehrten Plätze zu bekommen…denn es gibt ja TATSÄCHLICH systemrelevante Berufe.
Auf der anderes Seite bin ich skeptisch und auch wütend auf die aktuelle familienpolitische Alternativlosigkeit. Es gibt Konzepte für die Automobilindustrie, für die Gastronomie, für König-Fußball – einfach bereits für viele Wirtschaftszweige. Irgendwie scheint man aber de Familien in diesem ganzen Kreislauf vergessen zu haben, da steigt auch bei mir langsam die Galle hoch.
Letztens zappte ich durchs TV und blieb spät abends bei der Illner im ZDF hängen. Zu Gast waren Politiker von der SPD, der CDU, ein Mitglied des deutschen Ethikrates, Ressortleiterin Wissenschaft und Technik „Der Spiegel“ und ein Physiker (Ranga Yogeshwar – Wer outet sich und kennt noch „Quarks und Co“ von früher??). Als ich rein geschaltet hab, waren sie schon mitten drin. Blablabla….so langsam muss man alles wider hochfahren, die Wirtschaft leidet über die Maßen, davon kann man sich so schnell nicht erholen, die Verantwortung für die vielen Lockerungen sollen die Länderchefs und die Bürger tragen. Irgendwann meldet sich die Ethink-Dame zu Wort und wirft in die Runde, dass man die Familien nicht vergessen darf. So viele Freunde hätten ihr vor der Sendung Mitteilungen geschickt, in denen sie sie bekniet haben, die nicht vorhandenen Alternativen für Familien anzusprechen. Keine 5min später hatten es die Herrschaften geschafft es zwar kopfnickend anzuerkennen, dass es wichtig ist und man Lösungen für die Familien finden muss, dann aber doch einfach grandios wieder die Wirtschaftsüberleitung zu kriegen. Wutentbrannt hab ich das Ding danach ausgemacht. Und irgendwie macht sich der Frust gerade wieder Luft. Diese Lockerungen sind doch ein politikgemachtes Trugbild, dass alles wieder normal ist. Doch diese Normalität ist ja leider nicht echt. Die Leute gehen zwar wieder arbeiten, aber eben nur ein Bruchteil. Die Boutiquen und kleinen Läden haben wieder geöffnet, seit Freitag können wir endlich wieder essen und unser Bierchen zischen gehen. Und nun? Ja, nun ist ja alles wieder supi-toll, die Maskenpflicht wird hier und da auch schon wieder geflissentlich ignoriert. Und die systemirrelevanten Familien? Ach die schaffen das schon. kann ja nicht so schlimm sein, sind doch alles Wunschkinder. Und hey, danke Herr Steinbach für ihre wunderbare Cocktailkirsche der hirnlosen Kommentare der letzten Woche – sind doch erst 2 Wochen länger als die Sommerferien, von einer rieeeeeeesen Ausnahmesituation können wir da ja nun wiiiiiiirklich noch nicht sprechen, absolut korrekt, is ja alles wie Urlaub hier (irgendwie fühlte sich unser 8 Wochen Roadtrip durch Nordeuropa 2018 entspannter an…so ohne Arbeit). Und wir sollten das doch alle mal als Chance sehen unsere Kinder besser kennenzulernen. Ehrlich?? SO gut wollte ich meine Kinder nie kennenlernen…müssen. Und meine Kinder mich glaub ich auch nicht.
Na? Wer von meinen kinderlosen Lesern jetzt denkt „Maaaaaann, anstrengend, sie soll sich mal nicht so haben. Soll sich lieber freuen, dass es in kleinen Schritten wieder voran geht.“ Denen sei gesagt: Bitte lest nicht weiter, auch in Zukunft nicht. Denn ihr habt dann leider nicht verstanden, dass ich das hier darf. Mich Auskotzen. Vor allem über Dinge, die mich in letzter Zeit immer mehr aufregen.
Es ist eigentlich ein Witz, dass kleine Kinder mit Avengers-Shirts rumlaufen, wo sie doch die wahren Superheldinnen täglich vor der Nase haben. Die Erzieher/Innen.
Der Tagesspiegel – Das Corona-Tagebuch
Aber ziehen wir doch mal Bilanz der letzten 9 Wochen:
- Stunden, die ich gearbeitet habe (gestückelt in handliche 15 bis 20-Minuten-Einheiten, manchmal auch 2h am Stück – oh welch ein Glück): ca 80h
- Stunden, die ich nach Beschäftigungsmöglichkeiten für die Zwerge im Internet recherchiert habe um dann entnervt festzustellen, dass ich schon gefühlt alles gemacht hab: 20h (gefühlt)
- Stunden, in denen ich überlegt habe, was ich heute wieder kreatives Koche, was natürlich IMMER ALLEN schmeckt: 241 (gefühlt)
- Stunden, die ich mit dann mit Kochen und Backen verbracht habe: 400 (gefühlt)
- Stunden, die ich mit Aufräumen und Putzen verbracht habe: 100 (gefühlt)
- Stunden, die ich vorgelesen habe: 100 (gefühlt)
- Stunden, in denen ich gebastelt oder gemalt o.ä. habe: 100 (gefühlt)
- Stunden, in denen ich Sätze gehört habe, die entweder mit „Mama, „Aber“, *Gebrüll“-MAMAAAAAAA“ oder „Mama, ich will aber trotzdem…“ begannen: 576 (gefühlt noch mehr)
- Stunden, in denen ich Streit geschlichtet, gerichtet oder igoriert habe: ca 132
- Stunden, in denen ich Masken genäht habe: 72h
- Stunden, in denen ich überlegt habe, ob wir jemals wieder zu unserer gewohnten Normalität zurückkommen werden um dann recht hoffnungslos aufzugeben: nicht gezählt, aber schon recht oft.
Mathematisch geht das nicht auf? Ach, nee. In der Praxis irgendwie auch nicht! Ich bin gespannt, was als nächstes so entschieden wird. Jetzt muss ich aber erst mal wieder die Spülmaschine aus- und einräumen. Die Küche sieht aus wie Sau, ich hab auch schon das Licht ausgemacht, aber heute hilft es irgendwie nicht mehr.
Was haben wir gemacht…

Verkleiden…
…auch mal den ganzen Tag lang. Wir hatten vor dem Feuer im Haus letztes Jahr eine recht ansehnliche Sammlung an schönen Kinderkostümen. Leider fast alles futsch. Aber ein paar Kostüme, die schon zu klein aber zu schön zum weggeben sind, sind noch erhalten. Und diese Woche flog da ein Marienkäfer-Mädchen durch unsere Wohnung.

Bogen schmücken/Basteln
Wer vorletzte Woche schon mitgelesen hat weiß, dass die Kids mit dem Papa im Wald einen Bogen gefunden haben und den halben Tag im Wald Indianer gespielt haben. Da wir bei uns teilweise recht erfolgreich mit Belohnungsystemen arbeiten, gab es diesmal für beide einen Holzbogen (wofür?: einem Monat nicht vor 7.30Uhr aufstehen ☺️), den sie dann nach Lust und Laune bekleben, bemalen oder sonst wie dekorieren konnten.

Kuschelflosse und seine Freunde
Heute mal ein Buchtipp. Meine kinder können noch nicht lesen, also wrd in unserem haushalt viel vorgelesen. Viele Kindergeschichten finde ich als Vorleser doch recht anstrengend und ermüdend. Da waren die Bücher vom kleinen Fellfisch Kuschelflosse und seinen Freunden einfach der Knaller. Wir haben jeden Abend ein Kapitel gelesen – vorher schön nochmal ins Gedächtnis gerufen, was so passiert ist am Vorabend. Sowohl die Kinder als auch ich waren von jedem Buch mega begeistert. Witzig, spannend, mitfühlend, kindlich, manchmal auch albern, und meistens zum schmunzeln. Nun warten wir noch ein paar Wochen und dann lesen wir sie glaube ich wieder von vorne. Sehr zu empfehlen, auch für Schulkinder…dann vllt zum selber lesen.

Limonade selber machen
Im Sommer noch viel beliebter als bei den Temperaturen jetzt. Wir machen das dann in einen großen Spender und die Kids bedienen sich einfach.
Für einen normalen Krug braucht ihr 3 Zitronen, 2L Wasser und 150g Zucker (oder weniger oder auch mehr, wie süß ihr es halt mögt) und Eiswürfel.
Die Zitronen auspressen und in den Krug füllen – vllt noch ein paar dekorative Zitronenscheiben abschneiden und reintun. Wasser mit dem Zucker aufkochen, bis er sich aufgelöst hat. Abkühlen lassen und schließlich mit dem Zitronensaft vermischen.
Soll es sich länger halten, dann in Flaschen füllen und ab in den Kühlschrank.

Auch mal JA anstatt NEIN sagen
Auch mal ganz bewusst Ja zu etwas zu sagen wie Kino im Kinderzimmer. Es gab Bernhard und Bianca auf Disney+ und danach noch ein zwei Folgen PJ Masks.
Meine Kleine Abends dann so: „Mama, dieser Tag war wunderbar. Am meisten hat mir Spass gemacht, dass wir einen tollen Ausflug gemacht haben – und du warst dabei.“
Erst viel später kam sie dann nochmal und meinte: „ach, und das Kino ist auch toll.“
Ich kenne eine Familie, die zwischendurch mal Ja-Tage einlegen, um sich selber auch ab und zu mal zu reflektieren, wie oft wie vielleicht einfach aus Reflex Nein sagen? Oder um ein bisschen Harmonie zu fördern? Dem Kind auch mal Recht zu geben in seinen Willen? Was auch immer es ist, es hat ganz gut funktioniert ein paar JAs mehr einzubauen. Will ich mal versuchen öfter dran zu denken.

Schnappschüsse
Ich glaube dieses Foto haben sie nichtmal mitgekriegt. Er hat irgendwas erzählt, und sie hat eine Antwort gemurmelt – hab nichtmal richtig mitgekriegt, worum es ging – und daraufhin kuschelte es da plötzlich ganz doll. Und die Muddi hatte zum Glück das Handy in der Hand. ❤️
Geschwisterliebe. Keine alltägliche Selbstverständlichkeit, wie ich leider weiß. Denke das wird wohl mein Thema für nächste Woche.
Der Bulldock-Acker
In Berlin zu gärtnern ist schwierig ohne Garten. Das Bedürfnis war aber groß. Nach einer Doku im NDR, wo das Konzept des gemeinschaftlichen Beackerns und Anbauens von Gemüse etc vorgestellt wurde, fing die Recherche an. Und tatsächlich gibts dieses Konzept in fast allen großen Städten in der Republik. Deshalb haben wir uns zusammen mit einer zweiten Familie 40qm Ackerglück bei meineernte.de für eine Saison gemietet und nun hat diese Saison angefangen. Der Großteil des Ackers ist vorbepflanzt (Karotten, Porree, Rote Beete, Salate, Kartoffeln und gaaaaaaanz ganz viel mehr) und wird nach und nach wachsen und hoffentlich unter unserer Pflege gut gedeihen und erntefähige Früchte tragen. Vorher heisst es aber regelmäßiges umgraben, Unkraut jäten, bewässern etc… Einen kleinen Abschnitt können wir selbst bepflanzen und wir haben uns für Kräuter und Freiland-Tomaten entschieden. Da letzte Woche noch die Eisheiligen unterwegs waren hoffen wir, dass die Kräuter, die wir vorher schon gepflanzt haben, noch Leben. Die Tomaten kommen jetzt erst dazu. Ich werde berichten.
Und jetzt wünsche ich euch einen schönen Sonntag und ab morgen eine wunderbare neue Woche.
Ich gehe jetzt Erdbeerkuchen Backen.
Frollein M.punkt